In einer alten Jugendstilvilla im Kurort Bad Brückenau wird die wohl umfangreichste Fahrradsammlung in Deutschland präsentiert. Anhand von über 230 ausgestellten Zweirädern, zeitgenössischer Plakate und Zubehörteilen wird die Geschichte des Fahrrades seit den Anfängen im 18. Jahrhundert sehr anschaulich präsentiert und erläutert.
Vom Laufrad zum Fahrrad
Bereits 1817 erfand der badische Staatsbeamte Karl Drais die Laufmaschine und ermöglichte so, dass die Menschen bis zu viermal schneller unterwegs waren als mit einer Postkutsche.
1863 baut der Wagenschmied Pierre Michaux (Frankreich) das erste Tretkurbelvelocipede. Hierbei war an dem Vorderrad eine Tretkurbel angebracht. Aufgrund der Bandeisenbereifung und der schlechten Straßenverhältnisse bekamen die Velocipedes schnell den Spitznamen “Knochenschüttler“.
Um höhere Geschwindigkeiten zu ermöglichen, wurden ab 1870 Hochräder gebaut. Erst die Erfindung von leichteren und stabileren Stahlfelgen mit spannbaren Drahtspeichen machte diese Weiterentwicklung möglich. Ausgestattet mit leichterem Rahmen, kugelgelagerten Rädern und Kautschukbereifung erlaubten sie ein schnelleres und komfortableres Reisen. Da der Schwerpunkt des Hochrades über dem Vorderrad lag, kam es zu vielen “Kopfüberunfällen“.
Dies war sicherlich auch ein Grund für die Weiterentwicklung in den 1880er Jahren zu Sicherheitsniederrädern mit Kettenantrieb.
Das von John Kemp Starley im Jahre 1886 gebaute Fahrrad Rover III mit Nackensteuerung und gleichgroßen Rädern gilt als Prototyp des modernen Fahrrads.
In der Ausstellung befinden sich neben Laufrädern auch einige Hochräder, Tretkurbelräder, Sicherheitsniederräder und viele weitere Fahrräder.
Luftbereifung – eine revolutionäre Erfindung
Bereits William Thomson hatte 1845 den Vorgänger des Luftreifens erfunden und sich patentieren lassen. Im Jahre 1888 meldete schließlich der Landtierarzt Dunlop seinen Luftreifen zum Paten an und entwickelte ihn zur „Serienreife“. Nur 2 Jahre später gab es die ersten Serienfahrräder mit Dunlop-Luftreifen. Diese waren noch auf die Felge geklebt. Im Jahre 1894 hatten bereits 89 % aller neuen Fahrräder Luftreifen. Bis zu diesem Zeitpunkt war das Fahrrad vor allem ein Sportgerät für „harte“ Männer. Durch den gestiegenen Fahrkomfort, der höheren Geschwindigkeit und die allgemeine Preissenkung begann der Siegeszug des Fahrrads. Im Jahre 1897 wurden bereits 350.000 Fahrräder gebaut und so wurde das Fahrrad zum Massenfortbewegungsmittel.
Der besondere historische Fahrradladen
In vielen Oldtimermuseen gibt es Einkaufstheken oder sogar ganze Ladenlokale, die von außen bewundert werden können. Im Deutschen Fahrradmuseum ist dies ganz anders. Im historischen Fahrradladen mit Werkstatt aus den 1930er Jahren können Besitzer von historischen Fahrrädern original Ersatzteile erwerben und durch Ivan Sojc auch eine fachkundige Beratung für die Restaurierung erhalten.
Vom Motorschieberad zum Fahrrad-Hilfsmotor
Neben Fahrrädern bilden die Fahrrad-Hilfsmotoren und Mopeds einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung. Bereits im Jahre 1913 bot die englische Firma Wall Auto-Wheels in England eine motorisierte Fahrunterstützung an. Wie an dem Modell in der Ausstellung zu sehen ist, wurde ein Gestell mit drittem Rad und Motor an den hinteren Fahrradrahmen befestigt. Der 118 ccm Viertaktmotor soll das Motorschieberad auf eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h angetrieben haben. Im Jahre 1923 wurde in der deutschen Rechtsprechung erstmalig von Fahrrad mit Hilfsmotor gesprochen. In der Ausstellung sind auch Motorfahrräder, wie sie damals hießen, der Marken Opel (1922), Cockerell (1924), ÖWA (1925), Express (1931) und Puch (1938) ausgestellt. Nach dem 2. Weltkrieg erlebten die Fahrradhilfsmotoren und in den 1950er Jahren auch die Mopedindustrie einen Boom. Autos konnte sich kaum jemand leisten und so gab es viele Anbieter von Anbaumotoren und Mopeds. Das Deutsche Fahrradmuseen zeigt eine sehr umfangreiche Sammlung zu diesem Themenbereich. Vertreten sind u.a. Modelle der Marken: Cycles-Motor-Deconihout, Dürkopp, ETS Leon Couls (Tandem), Hercules, Küchen, Lohmann, MAW, Miele, NSU, Rabeneick, Rex, Renata (Tandem), Rhonsonette, Sachs, Victoria, Werner Motorenbau, Zündapp.
Überall sind Besonderheiten zu entdecken
Die Ausstellung ist so umfangreich, sodass hier nur auf einen Teil eingegangen werden kann. Sehr ausführlich beschreibt das Museum auch das Fahrrad-Vereinswesen und den Radsport, der bereits mit den Hochrädern begann. In der Ausstellung erblickt der interessierte Besucher immer wieder auch Einzelexponate, die aufhorchen lassen. So gibt es das Reitrad von Hercules, das Hercules Auto Velo, ein Kofferfahrrad, ein Holzfahrrad, Tretroller, Triplet (1897 – für Steherrennen), ein Elektromofa (1930er Jahre) aus Aluminiumblechen, die wohl aus dem Flugzeugbau stammen. Der Motorroller von der englischen Firma ABC (Baujahr 1919-1921) wurde nur 3500 produziert wurden. Oder das Kleinmotorrad (1923-211 ccm, 2,25 PS, ohne Getriebe) mit dem die Firma Zündapp die Motorradproduktion startete.
Ergänzt wird die Ausstellung durch viel zeitgenössische Reklame, Zubehörteile, Accesoirs und Unterlagen, die dem Besucher einen guten Einblick in die Geschichte des Fahrrads ermöglichen. Nach dem Besuch oder aber auch für die wartenden Familienmitglieder, bietet sich der Besuch des Museumcafes an.
Deutsches Fahrradmuseum
Heinrich-von-Bibra-Straße 24
97769 Bad Brückenau
www.deutsches-fahrradmuseum.de
Weitere Informationen zu Oldtimermuseen gibt es unter:
ADAC Klassik, Rubrik Oldtimermuseen www.adac.de/klassik
Text: Dieter Lammersdorf
Bildquellen: Dieter Lammersdorf