Vehikelsammlung Eppelheim
Roller, Kleinwagen und Motor-Rollstühle aus der Wirtschaftswunderzeit
Die Vehikelsammlung in Eppelheim zeigt Fahrzeuge, die vor allem im Nachkriegsdeutschland zum Straßenbild gehörten. Auf einer Ausstellungsfläche von ca. 300 qm wird eine sehr umfangreiche Sammlung an Motor-Rollstühlen (Krankenfahrstühle), Kleinwagen und Roller vor allem aus den 1950er und 60er Jahren gezeigt.
Vespa, Heinkel und mehr
Unter den etwa 30 Rollern, die in der Ausstellung zu sehen sind, sind viele seltene Marken vertreten. So steht eine für den englischen Markt gebaute Dürkopp Diana TS E neben einer NSU Prima-D mit Wandler- Automatikgetriebe. Dieses Fahrzeug stammt aus der Nullserie und wurde in dieser Ausstattung nicht in Serie gebaut. Erwähnenswert ist auch der Faka Tourist, der nur in sehr geringer Stückzahl gebaut wurde. Sehr auffällig bei diesem Roller ist natürlich der „strahltriebwerkähnliche“ Lufteinlass im Fußraum.
Vertreten sind zudem die Marken Adler, DKW, Goggo, Heinkel, Lohner, Triumph, Zündapp u.a.
Vom Kleinschnittger bis zur vierrädrigen BMW 600
Wer einen Überblick über die vielfältigen Kleinwagenmodelle der Wirtschaftswunderzeit bekommen möchte, ist in der Vehikelsammlung genau richtig. Neben Fiat, Fuldamobil, Heinkel-Kabine, Isetta, Lloyd, Maico, Messerschmitt, NSU Prinz, Zündapp und vielen andere Marken sind es vor allem die sehr seltenen Fahrzeuge (Felber Autoroller, Kleinschnittger, Krobolth Allwetterroller, Serpukhov, Scootacar, Vois Biscuter, die das Museum auszeichnen.
Kleinschnittger – zum Wenden bitte anheben
Der Modellbautischler Paul Kleinschnittger aus Arnsberg (Sauerland) entwickelte bereits 1939 sein erstes Automobil. Von 1949 bis 1957 baute er schließlich einen kleinen Roadster, der ca. 2000 mal gebaut wurde. Ausgestattet mit einem 125 ccm Zweitaktmotor mit 5 PS der Fima Ilo, erreichte er eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h. Auf eine Besonderheit des Wagens, die heutzutage für die meisten PKW-Fahrer unvorstellbar ist, sollte unbedingt hingewiesen werden. Der Kleinschnittger hat serienmäßig drei Vorwärtsgänge, aber keinen Rückwärtsgang. Zum Wenden wurde der 160 kg leichte Wagen vorne angehoben und einfach rumgedreht!
Scootacar – eine Telefonzelle auf Rädern…
Ein besonders seltener Kleinwagen ist der von 1957 bis 1965 in England gebaute Scootacar. Die Fahrzeughöhe beträgt nur 1,51 m, die Länge 2,00 m und die vordere Breite 1,32 m. Zugelassen für zwei Personen, saß der Beifahrer hinter dem Fahrer und seine Beine wurden „vorne“ neben dem Fahrer ausgesteckt. Da der kleine kompakte Wagen häufig in Rot lackiert wurde, bekam er von den Engländern schnell den Spitznamen „Telefonzelle“. Das ausgestellte Fahrzeug hat einen Einzylinderzweitaktmotor der Marke Villers (175 ccm, 8,5 PS). Der Wagen hat eine 4-Gangschaltung mit 4 Rückwärtsgängen (durch Rückwärtsanlassen). Der Lenker ist ähnlich wie beim Messerschmitt-Kabinenroller, wie bei einem Flugzeug ausgebildet. Das ab 1961 gebaute Nachfolgemodell Sootacar MKII hatte einen Zweizylindermotor (324 cm, 13 PS) verbaut. Hiermit soll der Floh wohl eine Spitzengeschwindigkeit von über 100 km/h erreichen…..
Motor-Rollstühle (Krankenfahrstühle) in Hülle und Fülle
Es gibt nur wenige Oldtimermuseen, in denen auch Motor-Rollstühle ausgestellt sind, und dann stehen sie meist in der hintersten Ecke des Hauses. Hier im Vehikelmuseum in Eppelheim stehen sie im Rampenlicht. Schon zu allen Zeiten wurden Transportgeräte für behinderte Menschen erfunden. Anfänglich gab es Tragen und Sänften, viel später kamen einfache Invalidenfahrzeuge (Rollstühle) hinzu. Diese wurden durch eigene Muskelkraft bewegt oder von anderen geschoben. Nach der Erfindung von Elektro- und Verbrennungsmotoren wurden schließlich auch die ersten Motor-Rollstühle gebaut.
In der Sammlung stehen gut 40 motorisierte Rollstühle. Ausgestattet sind viele mit Ilo oder Sachsanbaumotoren, die zwischen 50 und 250 ccm haben. Die leistungsstärkeren Motoren hatten bis zu 14 PS und Motor-Rollstühle erreichten dann Höchstgeschwindigkeiten von bis 85 km/h.
Vielen Oldtimerfreunde haben vielleicht auf Messen oder Veranstaltungen schon einmal Motor-Rollstühle der bekannteren Marken wie Krause Duo (Leipzig, DDR), Velorex (Pamik, Tschechoslowakei) oder Meyra (Vlotho, Deutschland) gesehen. Aber in dieser Ausstellung in Eppelheim sind auch Fahrzeug von relativ unbekannten Herstellern vertreten: Grewe-Schulte-Derne (Lünen), Deutsche Orthopädische Werke (DOW – Berlin), Hurst (Stuttgart / Mannheim), um nur einige zu nennen.
Hurst 250 – Scheunenfund geborgen
Nach über 50 Jahren hatte der Museumseigner Bert Grimmer das Glück einen Hurst 250, Baujahr 1949 aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken. Da das Fahrzeug die ganze Zeit aufgebockt in einer trockenen Scheune verbracht hatte, konnte das Fahrzeug aus der Scheune auf eigenen Rädern geschoben werden. Der Hust 250 hat Platz für zwei Erwachsene und wird mit einem 250 ccm ILO-Motor (6PS) angetrieben. Gebaut wurden insgesamt 49 Fahrzeuge, 17 bei Hurst in Stuttgart und 32 bei der Firma Apparatebau Dr. Steinmann, Mannheim. Heute sind nur noch zwei Fahrzeuge, die beide in der Vehikelsammlung stehen, bekannt.
Meyra Krankenfahrstühle
Die Firma Meyra wurde 1936 gegründet und ist heute der weltweit wohl bekannteste Rollstuhlhersteller und Lieferant von Rehabilitationsmittel. In der Ausstellung werden einige historische Motor-Rollstühle von Meyra gezeigt. So ist auch der einzig bekannte Kleinwagen für Körperbehinderte, der Meyra Typ 55 Roadster aus dem Jahre 1953 zu bewundern. Ausgestattet mit einem 245 ccm Einzylinder Zweitaktmotor (7,75 PS) der Firma Baker&Pölling (Deutschland) erreichte das Fahrzeug eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h. Der Antrieb erfolgte über ein Differential auf beide Hinterräder. Aus Kostengründen war es für Motor-Rollstühle üblich, nur ein Rad anzutreiben.
Die Firma Meyra baute in den 1950er Jahren auch Autos, von denen es kaum Informationen und nur ein Werksfoto gibt. Der Museumsbetreiber Bert Grimmer würde sich auch über den kleinesten Hinweis zu den Fahrzeugen Meyra 200, Meyra 201 oder den kleinen Meyra Sportwagen, den Frau Meyra selbst gefahren hat, freuen.
Vehikelsammlung Eppelheim
Lilienthalstr. 17
69214 Eppelheim
Weitere Informationen zu Oldtimermuseen gibt es unter:
ADAC Klassik, Rubrik Oldtimermuseen www.adac.de/klassik
Text: Dieter Lammersdorf
Bildquellen: Dieter Lammersdorf, Bert Grimmer (Vehikelsammlung Eppelheim )